Je weiter die Vermischungen zwischen
dem datentechnisch behandelten Kunstwerk und der es veröffentlichenden
Information bis zur Untrennbarkeit vorangetrieben werden, desto offener und
örtlich ungebundener erscheint das Resultat dieses Amalgams: Autorenschaft oder
kontextuelle Zuordnung verschieben sich je nach Zugriffsart und
Deutungskompetenz weiterer, situativ ungebundener "Mitspieler". Ob
nun eine programm-gestützte Umformung der Information stattfindet oder ob sie
lediglich durch Einbettung in divergierende Informationslandschaften neue
Konnotation erhält, ist sekundär. Primär ist, daß sich durch die Ablösung von
örtlich, räumlich und sozial vorgeformten Rezeptions-Modellen hin zu
singulären, hauptsächlich technisch konformierten Zugriffweisen die
Interessenszunahme an der "Gebrauchs-Dimension" dieser Information
drastisch verstärkt. Zentral ist nicht mehr die kontemplative Distanz, die das
Kunstwerk ehemals zur Sprache kommen ließ, sondern direkte Verwendbarkeit,
Applizierbarkeit oder transformative Kraft - also, anders gesagt, die Art und
Weise, in der solche Information im Gebrauch gegebene Situationen verändert und
punktuell neue Spielformen und Regeln vorstellbar macht.
Ich möchte dies nun nicht als Verlust
einer künstlerischen Identität oder einer irgendwie angestammten Postition (die
für Künstler sowieso immer mehr oder
weniger Leihstatus hatte) betrachten, sondern als Möglichkeit, die
transformative Funktion von Kunstwerken als einen Aspekt zu bedenken, der sie
wiederum für eine Wahrnehmung in Gruppen-Situationen und in alltäglichen
Kontexten brauchbar macht. Also: statt wie in den gängigen Modellen der virtual
reality mehr oder weniger eskapistische Inhalte mit einer Konzentration der
Eingabe-Situation auf den Einzelnen als einem diskreten, singulär abgetasteten
Impuls-Geber zu kombinieren (mit data-gloves, unter Kamera-Arrays, mit
Monitor-Brillen etc), möchte ich gelebte (technisch beeinflusste)
Alltäglichkeit mittels künstlerischer Eingriffe transformieren. Unter einem
künstlerischen Eingriff verstehe ich ein systembezogenes Umformen bereits
bestehender technischer Architekturen: das Kunstwerk ist im materiellen Sinne
kein Werk, kein Anschauungs-Objekt, sondern es wird als ein Set technischer
Systeme in bereits bestehende Funktionen eingepflanzt. Dort erzeugt es in
Abstimmung und Ausrichtung auf den gegebenen Kontext, sprich, der Art und Weise
in der Menschen diesen speziellen Teil der Welt benutzen, Veränderungen.
Licht z.B., das Räume erleuchtet, kann
dort mehr leuchten, wo sich eine Person bewegt. Kommen eine zweite, eine dritte
Person hinzu, interagieren (möglicherweise) nicht nur sie, sondern parallel
oder interpunktierend dazu auch das Licht. Klang, z.B. der mehrerer Stimmen,
kann an verschiedenen Stellen eine Raums aufgenommen, in Echtzeit verarbeitet
und als verändertes Element des Raumklangs dem Original hinzugefügt werden.
Diese Modelle (bzw. die sie
realisierenden Arbeiten) umfassen generell 3 Elemente: eine Sensorik, die
menschliche Aktion aufzeichnet, eine Transformations-Komposition, die die
aufgezeichneten Daten annähernd in Echtzeit analysiert und für die Ausgabe an das
entsprechende Medium umformt und die Interaktion der Menschen, auf die das
System reagiert und die auf das reagieren, was das System an Veränderungen
erzeugt.
Räume werden so, bildlich gesprochen,
zu einer dreidimensionalen Tastatur und das technisch veränderte System zum
Monitor, der die Eingabe transformiert spiegelt und so das Feedback der
Mitspieler verstärkt.
„Real virtuality“ hieße demnach, in
Räumen und an den technischen Systemen, die sie beinhalten, bzw. durch die sie
bestimmt werden, bereits vorhandene Möglichkeiten aufzudecken. Da Technik grundsätzlich
nichts anderes ist, als in Geräten sedimentierte (und formalisierte) soziale
Aktion, beschäftigt sich die künstlerische Bearbeitung dieses Zustands mit
beidem: dem Spiel, das als Transformation der Technik stattfindet und dem
Spiel, das die Regeln der Mitspieler neu formieren könnte.
8.3.99